Hochschule Reutlingen
24.04.2023

Interdisziplinäres Entwicklungsprojekt

Ein Motion Tracking-Handschuh soll Reha nach Schlaganfall unterstützen

Funktionsmuster des Motion Tracking Handschuhs mit verschiedenen Sensoren

Philipp Laux sitzt mit einem Handschuh im Labor, bewegt seine Finger und das Handgelenk. Nein, es ist nicht die winterliche Kälte, die ihn zu diesen Übungen veranlasst. Neben ihm sitzen seine Kommilitonen Vanessa König, Michael Stubenvoll und Anouk Zähringer, die aufmerksam die Visualisierung seiner Handbewegungen am Bildschirm analysieren. Das Team arbeitet an einem interdisziplinären Projekt, das im 2. Semester des Masterstudiengangs „Interdisziplinäre Produktentwicklung“ ansteht.

Im vergangenen Wintersemester lautete eines der Themen: „Motion Tracking Glove for stroke rehabilitation“, also einen speziellen Handschuh für die Reha-Übungen nach einem Schlaganfall entwickeln. Das Briefing dazu kommt von der Technischen Universität München, denn das ambitionierte Projekt ist Bestandteil einer Kooperation mit dem dortigen Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed). Projektleiter Prof. Tino Zillger, der an der TEXOVERSUM Fakultät Textil zu Smart Textiles forscht und lehrt, beschreibt die Aufgabenstellung so: „Nach einem Schlaganfall kommt es oft zu einer auf einer Körperhälfte auftretenden Lähmung, die die Kraft in Gesicht, Arm oder Bein vermindert. Eine schnelle, regelmäßige und intensive Physiotheraphie ist geboten, die tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten für die Patient*innen jedoch nicht immer ausreichend. Eine mögliche – ergänzende – Lösung für dieses Problem besteht in der selbstständigen Therapie mithilfe von virtuellen Systemen, welche die Übenden anleitet und unterstützt.“ Ziel ist es nun, eine Motion-Tracking-Lösung zu entwickeln, welche die Bewegungen der Fingergelenke und des Handgelenks erfassen kann.

Die vier Studierenden haben dabei viele Anforderungen zu berücksichtigen: „Die Lösungsidee muss am Körper getragen und von den Patient*innen selbst an- und ausgezogen werden können. Sie soll komfortabel sein und darf die Bewegungen der Gelenke nicht erschweren oder behindern.“, erinnert sich Textilingenieurin Anouk Zähringer an den Beginn der Projektarbeit. Bei der Entwicklung des Übungshandschuhs nutzt das Team sein interdisziplinäres Wissen aus den Bereichen Technik, Textil und Informatik. So musste zunächst ein Schnittmuster erstellt werden, nach dem der Handschuh aus einem Polyestergestrick zusammengesetzt wurde. Textile Leiterbahnen und Sensoren aus mit Silber metallisiertem Gewirk oder aus Carbon-Siebdruck sind das „smarte Herzstück“ des Funktionsmusters. Klappt die Datenübergabe der Fingergelenkwinkel an den Bildschirm, sieht der Patient seine Bewegungen und kann in seinen Übungen angeleitet und korrigiert werden.

„Die Zusammensetzung unseres Teams erwies sich als ideal.“, resümiert Michael Stubenvoll, der vor dem Master seinen Bachelor in Softwaretechnik und Medieninformatik an der Hochschule Esslingen gemacht hatte. „Jeder Experte konnte seine Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen. Doch die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist aufgrund unterschiedlicher Fachsprachen und Denkweisen alles andere als trivial. Dieser Masterstudiengang erweitert mein Knowhow, damit ich besser mit Experten verschiedener Disziplinen an komplexen Problemlösungen arbeiten kann.“ Dem stimmt auch Wirtschaftsingenieurin Vanessa König zu: „Das Konzept des Masters ist für mich einzigartig und sticht besonders mit dem interdisziplinären Projekt hervor, dessen Problemstellung ja in der Realität existiert.“

Der Abschluss des Projekts steht zwar noch bevor. Der aktuelle Entwicklungsstand wird jedoch am 13. Mai beim Tag der offenen Tür der Hochschule Reutlingen präsentiert. Kommen Sie vorbei und informieren Sie sich vor Ort über das Projekt und den Masterstudiengang „Interdisziplinäre Produktentwicklung“.

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