Hochschule Reutlingen
25.07.2024

In digitale Zukunft des Fahrzeuginterieurs eingestiegen

Bei den Digital Mobility Design Days im TEXOVERSUM wagten Studierende und Unternehmen einen Blick in die Zukunft des Transportation Interior Designs

Gürkan Orak designte einen Zweisitzer, für dessen Interieur Jessica Reißfelder Recyclingmaterial entwickelte.

Eine Idee wird Wirklichkeit: Das TEXOVERSUM als inspirierender Treffpunkt für Studierende & Unternehmen, für Wissenschaft & Wirtschaft, für Aus- & Weiterbildung. Am 12. und 13. Juli füllten die Fakultät Textil und die Experts & Training Hub gGmbH das Gebäude erstmals mit einer gemeinsamen Veranstaltung, zu der all diese Akteure zusammenkamen. Geladen hatten sie zu den „Digital Mobility Design Days“, bei denen es von visionären Mobilitätskonzepten bis zu virtuellen Werkzeugen alles rund um das Thema digitale Designprozesse in der Fahrzeugbranche zu sehen gab.

„Wir freuen uns sehr, dass wir mit diesem Event das ursprüngliche Mindset, das dieses Gebäude tragen soll, aufleben lassen können. Hier wollen wir Synergien und Kooperationen zwischen Industrie, Forschung und Ausbildung schaffen.“, begrüßte Prof. Michael Goretzky die zahlreich erschienenen Besucherinnen und Besucher aus der Hochschule und der Wirtschaft sichtlich erfreut. Über viele Jahre hinweg hatte Goretzky von der ersten Visualisierung bis zum Einzug im Frühjahr den Weg dafür bereitet, dass dieses Bauwerk nun mit Leben gefüllt wird. Auch Arved Westerkamp, Präsident von Südwesttextil e.V. betonte in seinen Grußworten, wie wichtig diese Plattform des Zusammenkommens für den Wissenstransfer von Disziplinen und Generationen ist: „Wir möchten mit unseren Aktivitäten hier im TEXOVERSUM in der breiten Wahrnehmung ein deutliches Signal setzen, dass die Textilbranche offen ist für jede und jeden, der über sie lernen, in ihr arbeiten und sich entwickeln möchte.“

In der Querschnittstechnologie Textil bildet der Studiengang Transportation Interior Design mit seinem Bereich Color & Materials nur einen kleinen Ausschnitt ab. Eine wichtige Rolle spielt die Ausbildung beim 3D-Entwurf, bei dem digitale Prozesse ein untrennbarer Bestandteil sind. „Hier wollen wir heute einen Einblick wagen, Impulse setzen und zum interdisziplinären Austausch anregen.“, lud Studiendekanin Prof. Andrea Lipp-Allrutz gemeinsam mit Linda Klopsch von der TEXOVERSUM Experts & Training Hub gGmbH alle Anwesenden zu den zahlreichen Programmpunkten der beiden Eventtage ein.

Den Auftakt bildete eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Fahrzeug- und IT-Branche, welche die Potenziale digitaler Tools und KI im Designprozess beleuchtete. Wie verändert die rasante Entwicklung neuer Werkzeuge die Arbeit und die Abläufe in der Designentwicklung? Welche Fähigkeiten brauchen Designerinnen und Designer wohl künftig? Stephan Schönherr, Vice President Head of Design & HMI bei MAN Truck & Bus SE, beschrieb einen Mischbetrieb: „Wir nutzen reale Modelle für Ergonomieuntersuchungen. 3D-Modelle unterstützen die Entwicklung u.a. beim Erstellen und Testen von Varianten oder bei der Abstimmung mit in der Welt verteilten Teams.“. Mathilde Laporte, Maschinenbauingenieurin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., berichtete davon, wie sie nach einem Jahr rein digitaler Prototypenentwicklung kein Gefühl dafür hatte, welche Dimensionen das Endprodukt – immerhin ein Güterwaggon für den Schienenverkehr – in der Realität einnimmt. Auch Goretzky lässt die Studierenden mit dem Zollstock die Innenräume von Fahrzeugen ausmessen, um den Bezug zum physikalischen Modell zu verinnerlichen, bevor sie in die virtuelle Darstellung gehen. So ist man sich in der Runde einig: Beides wird benötigt – Designerinnen und Designer sorgen auch künftig für kreative Konzepte und werden dabei von den immer interessanter werdenden KI-Tools unterstützt. Ein treffendes Fazit zog Michael Dürr, Senior Manager Interior Design bei Chery Europe GmbH: „Der Designer wird ersetzt durch den besseren Designer, der KI-Tools sinnvoll in den Prozess implementieren und nutzen kann, um entsprechend hochwertigere Produkte für die Menschen zu entwickeln.“

Spannende Inhalte lieferten auch die Unternehmensvorträge, die zu jeder Zeit gut besucht waren. So erläuterte Kai Leibrandt, zuständig für Digitale Konzeptmodelle bei Porsche, mit eindrucksvollen Bildern den Entstehungsprozess des Show Cars „Mission R“. Dieser Elektro-Racer war sogar im Foyer ausgestellt und wurde von allen Besuchern bestaunt. Von Martin Peter hingegen erfuhr das Publikum, wie die X-Rite GmbH mit Scannern Materialien digitalisiert, mit denen dann unzählige Varianten in physikalisch und farblich perfektem Erscheinungsbild erstellt werden können.

Physische Modelle, Materialstudien und virtuelles Fahrzeuginterieur sah man auch in der sorgfältig vorbereiteten Werkschau der Studierenden. Die jüngeren Semester präsentierten auf der Ebene 1.0 ihre Ideen für wandelbare Lenkräder mit Zusatzfunktionen – von der Skizze über das geformte Modell aus Ton bis zur ersten 3D-Darstellung. Auf der nächsten Ebene zeigten das 4. Semester sowie die Bacheloranden und Masteranden mit ihren Abschlussarbeiten ihr ganzes gestalterisches Können. Die Aufgabenstellung des Projektpartners phiCAE setzten sie mit     beeindruckenden Konzepten für low budget Fahrzeuge in Regionen der Welt, wo Mobilität erschwert ist, um. So stellten z.B. Gürkan Orak und Jessica Reißfelder einen robusten Zweisitzer für Nepals Straßenhändler vor, dessen Interieur aus Recyclingmaterial – vor allem aus liegengelassenen hochwertigen Bergsteigerutensilien wie Seile oder Schlafsäcke – besteht.

Auch sonst war auf den versetzten offenen Etagen einiges los: Im Extended Reality Labor konnte man auf einem realen Fahrzeugsitz Platz nehmen und mit der VR-Brille die Zukunft der Mobilität virtuell erfahren. Partnerunternehmen zeigten an ihren Ständen digitalen Workflow und sogar den Prototyp eines Leichtfahrzeugs für den Cargobereich. Bei einem Cappuccino des studentischen Café-Projekts von „RU Enterprise“ wurden neue Kontakte geknüpft. Am Studiengang Interessierte erhielten einen umfassenden Einblick in die Ausbildung des begehrten Design-Nachwuchses durch die Vorträge der Studierenden, ihre ausgestellten Projektarbeiten und individuelle Gespräche. Dabei wurde intensiv erlebbar, dass das TEXOVERSUM den Studierenden hervorragende Bedingungen bietet und für alle ein Ort der Begegnung und des kreativen Austauschs – auch über Bildungsgrenzen hinweg – ist. So hatte es Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister Roland Wintzen in seinen Grußworten beschrieben und sein Aufruf, für den er den Zukunftsforscher Alvin Toffler zitierte, passte perfekt zum Anlass: „Lassen Sie uns gemeinsam die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden, damit uns die Zukunft gehört!“

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