Hochschule Reutlingen
27.03.2025

Im Interview: Verschiedene Disziplinen - gemeinsames Projekt

Im Masterstudiengang Interdisziplinäre Produktentwicklung arbeiten Expert:innen unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam an einem Industrie- oder Forschungsprojekt. Wir haben nachgefragt, wie so ein Projekt abläuft und was das Besondere daran ist.

Im Interview:

Der Industriepartner:

Die Firma ETTLIN LUX® hat ein patentiertes lichttechnisches Spezialgewebe entwickelt. Wird dieses von LEDs hinterleuchtet, entstehen spannende dreidimensionale Lichtlinien. Dieser Effekt ist Alleinstellungsmerkmal der Ambiloom® Kollektion, die aus funktionalen Produkten wie Wandspiegel oder Leuchten als ambiente Beleuchtungsobjekte besteht.

 

Worum ging es in eurem Projekt?

Lieven: Auf Basis des patentierten DecoLux-Spezialgewebes sollte ein Schallabsorbersystem entwickelt werden, das die schallabsorbierenden Eigenschaften eines Textils (Akkustikvlies) mit einer integrierten Ambientebeleuchtung kombiniert. Das System sollte mit einzelnen Modulen elektrisch und mechanisch individuell erweiterbar und einfach an und vor Wänden anzubringen sein.

Wie habt ihr die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb eures Teams gestaltet und welches Expertenwissen hat jeder eingebracht?

Benjamin: Unsere Zusammenarbeit hat sich recht organisch gestaltet: Durch die kleine Gruppengröße waren Projektbesprechungen und Aufgabenverteilungen immer face-to-face oder per Videocall möglich. Die Projektleitung habe ich mir tatsächlich selbst zugeteilt 😊. Außerdem habe ich die technische Betrachtung und Konstruktion sowie die Erstellung von Fertigungsvorlagen übernommen. Dazu gehörten viele Versuchsreihen und Musterbauten im Labor, auch der Modellbau im 3D-Druck-Verfahren.

Madeleine: Als Textiltechnologin habe ich mich um die Aufmachung und Implementierung des technischen Textils gekümmert: Welche (Licht-)Effekte erzeugt das Gewebe, wie kann das erforderliche Akkustikvlies integriert werden und wie soll das Modul umrandet werden? Ich habe auch das Testverfahren zur Überprüfung der schallabsorbierenden Wirkung des Moduls im Vergleich zu einem Referenzmuster entwickelt.

Lieven: Meine Hauptaufgaben lagen in allen gestalterischen Entwicklungen, denn Kreativität und Design ist meine Expertenrolle aus dem Bachelorstudium. 

Könnt ihr uns einen Einblick in den kreativen Prozess geben, der zu eurem finalen Konzept geführt hat?

Madeleine: Wir haben das Projekt nach den klassischen Phasen durchgeführt: Zuerst die Ideenfindung für die gestellte Aufgabe, dann eine Machbarkeitsstudie und zum Schluss der Bau und das Testen von Prototypen. Dabei haben wir uns an der nutzerorientierten Designentwicklung orientiert, also zuerst die Funktionalität, dann die Benutzerfreundlichkeit und schließlich die Zufriedenheit sichergestellt. In der Ideenphase haben wir mit Brainstorming-Methoden gearbeitet – einzeln, als Team und mit externen Personen. Alle Wände waren mit bunten Post-its und Zeichnungen beklebt…

Lieven: Zu Beginn war wichtig, dass wir ausführlich Zielgruppe, Problemdefinition und Ableitung entsprechender Anforderungen erarbeitet haben. Ein Workshop mit Studierenden hat uns bei der Erstellung erster Konzepte geholfen.

Benjamin: Spannend fand ich den Prototypenbau: In allen Entwicklungsstufen haben wir mit Mustern – erst aus Karton, später im 3D-Druck – die jeweiligen Funktionen getestet und iterativ verbessert.

Ihr habt auch eine hochschulweite Umfrage für euer Projekt gemacht. Was wolltet ihr wissen und wie fiel das Ergebnis aus?

Madeleine: Die Umfrage diente der Bestimmung der optimalen Form und Größe des Schallabsorbermoduls, das in einem Großraumbüro eine ruhige Atmosphäre schaffen soll. Wir zeigten geometrische 2D-Formen in verschiedenen Größen und Anordnungen und wollten wissen, welche Kombinationen mehr oder weniger Ruhe in einem Büroraum ausstrahlen.

Benjamin: Wir konnten aus 299 Stimmabgaben ermitteln, dass Silhouetten mit geringer Komplexität und stumpfen Ecken (>90°) prinzipiell besser abschneiden. Die meisten Menschen nahmen eine Anordnung als ruhiger war, wenn sie eher weniger Elemente mit einer gleichmäßigen Außenkontur betrachten.

Welche Materialien und Technologien habt ihr für das Schallabsorbersystem gewählt?

Madeleine: Das Obermaterial und das Akkustikvlies wurden von EttlinLux vorgegeben, wobei wir die Farbgebung und die Materialzusammensetzung individuell wählen und damit z.B. die Stärke des Lichteffektes beeinflussen konnten.

Benjamin: Der Trägerrahmen sollte minimalistisch und leicht sein, weshalb wir eine Gitterstruktur aus Aluminiumröhrchen gebaut haben. Für die montagefreundliche Wandbefestigung haben wir S-Haken gewählt und für die Verbindung mehrere Module situativ Teile im 3D-Druck hergestellt.

Inwiefern war der Industriepartner EttlinLux in eure Arbeit integriert?

Madeleine: Ich fand die Zusammenarbeit sehr harmonisch: das Ettlin-Team stand immer unterstützend zur Seite, Material wurde schnell bereitgestellt und fachkundig erklärt. In wöchentlichen Meetings konnten wir den Status besprechen, Probleme schnell lösen und sicherstellen, dass immer alle auf dem gleichen Wissensstand waren.

Benjamin: Die regelmäßigen Abstimmungen haben immer wieder neue Lösungsansätze hervorgebracht, sei es beim Kleben des Lux-Gewebes oder bei Konstruktionsarbeiten. Besonders wichtig fand ich den Abgleich der theoretischen und praktischen Sichtweisen beider Seiten für unser wissenschaftliches und strukturiertes Vorgehen: Sind wir noch auf dem richtigen Kurs und erfüllen die Aufgabenstellung?

Wie sieht denn die praktische Anwendung eures entwickelten Systems aus und welche Vorteile bietet es?

Lieven: Das erarbeitete Einsatzgebiet sind weitläufige Räume mit vielen Personen, z.B. Großraumbüros. Hier sollen die in Muster angeordneten Module durch ihre angenehme Form, wohnliche Farben und den Lichteffekt eine beruhigende Atmosphäre schaffen. Neu ist, dass dieses System den Komfortparameter Ambiente-Licht nun mit der schallabsorbierenden Wirkung verbindet und über die Geräuschreduzierung wahrhaftig für mehr Ruhe im Großraum sorgt.

Vielen Dank für die Einblicke! 

Und hier noch ein paar Eindrücke: